Kindernotfalltraining
Seit 2015 setzt die Gemeinde Hasbergen in Schulen und Kindertagesstätten auf verhaltensorientierte Prävention, damit Kinder sich im Notfall zur Wehr setzen können. Auch in diesem Jahr erhielten zahlreiche Vorschulkinder eine Urkunde, sowie die eigens kreierte Kinder-Notfall-Karte.
Laut und durchdringend hallt der ausgestoßene Schrei durch die hellen Gänge der Kindertagesstätte St. Josef in Hasbergen. Die markdurchdringenden Worte „Nein, fassen sie mich nicht an“ sind durch eine Tür hervorgedrungen, hinter der in diesem Moment acht Kinder im Alter zwischen fünf und sechs Jahren an dem Projekt „Kindernotfalltraining“ teilnehmen, welches von Wilfried Bury geleitet wird.
Bury, Polizist außer Dienst, hat sich dazu in einem Nebenraum verkleidet und so in einen fremden, aber vermeintlich netten Mann verwandelt, der mit einer kleinen Ente in der Hand auf drei Mädchen zugeht und glaubhaft erzählt, das niedliche Tier sei verletzt. „Ich kenne mich in Hasbergen nicht aus und suche einen Tierarzt. Kann mich eine begleiten“, fragt er in die Runde. Als er den Mädchen als Belohnung das Puppenhaus eines amerikanischen Spielzeugkonzerns verspricht, schreien die wie auf Kommando los, laufen von dem Mann weg zu ihrer Erzieherin und berichten über den Vorgang.
Die Ente ist aus Plastik, die Situation gestellt. „Die angehenden Schulkinder sollen bei dem Projekt lernen richtig zu handeln, wenn sie von Fremden angesprochen werden“, erklärt Bury wenig später. In einem dreitägigen Kurs werden ihnen dazu in verschiedenen Rollenspielen die Handlungsweisen aufgezeigt. Die Kinder erfahren einerseits, wie sie in Gefahrensituationen auf sich aufmerksam und andererseits, wie sie differenziert zwischen guten und bösen „Geheimnissen“ unterscheiden können. Verhalten sie sich richtig, reagiert Bury mit Applaus und Lob.
Christiane Brüggen, Leiterin der Kita, befürwortet die jährliche Umsetzung und bewertet das Konzept als sehr positiv. „Die Kinder werden insgesamt selbstbewusster und sie machen mit Begeisterung mit“, stellt sie beeindruckt fest. Seit 2015 bietet die Gemeinde Hasbergen diese polizeigestützten Workshops der Initiative Schutz vor Kriminalität (ISVK) jährlich an und finanziert sie auch.
„Es hat sich bewährt, die Eltern mitzunehmen und im Vorfeld einen Elternabend zu veranstalten“, betont Katrin Schmidt vom Kinder- und Jugendbüro der Gemeinde und weist darauf hin, dass sich so zusätzliche Aktivitäten, wie etwa der Laufbus, entwickelt haben. Schmidt ist an diesem Donnerstagmorgen bei der letzten Einheit genauso anwesend wie Bürgermeister Adrian Schäfer, der sich zu jedem Teilnehmer persönlich hinabbeugt, ihn beglückwünscht und ihm eine Urkunde überreicht. „Die kann ich euch mit gutem Gewissen übergeben“, stellt er fest.
Denn die laut ausgerufenen Worte wie etwa „Stopp“ oder „Nein, fassen sie mich nicht an“ funktionieren. Auch in der Realität. Bury leitet die Workshops seit mehr als 20 Jahren, kann von Beinahe-Situationen in anderen Gemeinden berichten, die Dank des gelernten Verhaltens gut ausgegangen sind. Er weiß aber auch: der Grundstock wird zwar in den Projektstunden gelegt, gleichwohl liegt noch Arbeit bei den Eltern. Denen rät er, das Gelernte zuhause zu wiederholen und so zu vertiefen.
Die Nachfrage nach den Kursen nimmt seit Jahren zu. Kathrin Schmidt verteilt im Anschluss noch die leuchtendgrüne Kinder-Notfall-Karte. Neben dem roten Hüggelzwerg findet sich auf der Vorderseite der kreditkartengroßen Karte Platz für den Vornamen des Kindes sowie für drei individuelle Telefonnummern. Auf der Rückseite ist eine Auswahl mit Erreichbarkeit der Institutionen Hüggelschule Hasbergen und Gaste, der Gemeinde sowie der Polizei abgedruckt. All das dient dazu, damit zukünftige Grundschulkinder in der Gemeinde Hasbergen und Gaste sicher leben können.